Luppenau

Tauwetter oder eine Entschuldigung für unüberlegte Worte
SAALE-ELSTER-AUEN-KURIER - März 2010
Autor: Ilja Bakkal

Die ersten Zeilen des Januar–Artikels („Wieder keine weiße Weihnachten…“) sollten Sie mit einem Schmunzeln auf die Lektüre einstimmen, nicht mehr und nicht weniger. Ich kenne die Macht des gesprochenen und manchmal auch nur gedachten Wortes, eine Erwartung zu beflügeln oder leider häufiger in ihr Gegenteil zu verkehren. Aus dieser Erfahrung heraus schweige ich bisweilen erfolgreich und versuche auch gefährliche  Gedanken zu vermeiden, wie: das geht ganz leicht, gelingt immer, kann keiner so gut wie ich usw. Aber die Wetterlage scheint doch wohl eine Nummer zu groß für mich?
„… wovon der Flockenwirbel nur noch dichter würde…. und schon am Morgen müssten die Männer den Weg freischaufeln…“


Fotos: Ilja Bakkal (--> klick)
Sie schaufelten, nicht nur „…bis zur Mülltonne…“ und Frauen und Kinder schaufelten auch. Rainer Stahlberg und Sepp Dannemann schaufelten von Amts wegen noch mehr und sehr früh am Morgen. Da gab es Luppenauer, die standen schon bereit bevor es rieselte, andere, deren Berufspflicht mit der Räumpflicht in Gewissenskollision geriet, eiferten ihnen so gut wie möglich nach. Der Gesetzgeber erkennt diesen Konflikt nicht an. Auch wenn der nationale Winterdienst zusammenbricht, Salz und  Sand zur Mangelware werden, Schneeschieber ausverkauft sind und alle zur professionellen Schneeräumung Berechtigten ihre Kapazitätsgrenzen überschritten haben, der verantwortliche Bürger hat seinen Bereich freigeräumt zu halten, irgendwie aber immer von früh bis spät.

Dieser Pflicht wird mit zunehmender Urbanisierung schlechter nachgekommen. Eine Erfahrung, die alle gemacht haben, die die relativ geordneten winterlichen Verhältnisse Luppenaus verlassen mussten, um zur Arbeit zu gelangen. So dachte ich, nachdem es mir zu später Stunde mühsam gelungen war, meinen Merseburger Parkplatz und die Straßen der Stadt in Richtung Heimat zu verlassen. Eine eingeschaltete Warnblinkanlage signalisierte, dass es kurz vor Erreichen des Ziels nicht weitergehen würde. Wie kann man nur mit einem Wagen, dessen Bodenfreiheit künstlich reduziert worden ist, den Einmündungsbereich zum Sandberg befahren, der ja für räumerisches Niemandsland gehalten wird?!

Fotos: Ilja Bakkal (--> klick)
Da stand er nun und ich dahinter. Plötzlich erschienen mehre junge Leute, Mitglieder des einheimischen Jugendklubs, befreiten den kritischen Straßenabschnitt erst von den steckengeblieben Fahrzeugen und dann gemeinsam mit den geretteten Fahrern vom Schnee, formten einen schönen Wall am Rand und eine dreieckige Verkehrsinsel  in der Mitte. 20 Minuten Winterspaß und keiner hat´s gemerkt. (Genau hier, liebe Leser, im unbedruckten Recyclinggrau, finden Sie die eigentliche Botschaft dieser Zeilen.)

 Rechtzeitig vor dem nächsten Schnee wird man uns die winterlichen Pflichten erläutern, verspricht die Ortsbürgermeisterin, die die Leistung der Luppenauer dankend anerkennt.

Ja, schneereich war dieser Winter und etwas lichtarm. Wer den ganzen weißen Zauber schon nicht mehr sehen konnte, fand die Schönheit im Detail, wie einer reifbedeckten Hagebutte oder doch lieber der Wacholderdrossel, die mit den Füßen noch im letzten tauenden Schnee, ihre Brust den ersten wärmenden Sonnenstrahlen entgegenhält.

Ich höre lieber auf, sonst verregnet uns der Frühling noch!

I.Bakkal