Luppenau

13. Oldiecup in Friedensdorf am 24. Mai 2014

SAALE-ELSTER-AUEN-KURIER - Juni 2014
Autor: Ilja Bakkal

Friedensdorf ist nur wenige Fahrradminuten von Luppenau entfernt. Die meisten lassen es rechts oder links liegen, wenn sie die B 181 in Richtung Leipzig oder Merseburg passieren. Das Dorf versteckt sich hinter einem Bahndamm, auf dem schon lange keine Züge mehr verkehren. Vermutlich genießen die Einwohner die Abgeschiedenheit so sehr, dass der fotografierende Tourist vorerst unangenehm auffällt, bis man ihn erkennt und wohlwollend gewähren lässt. Der wiederum wertet dieses Verhalten nicht als feindseligen Akt, sondern als Indiz einer intakten Gemeinschaft, in der man sich verantwortlich fühlt. Wenn ich Sie jetzt, verehrte Leser, noch vor dem Wettkampf auf einen Spaziergang einmal um die Kirche herum einlade (www.luppenau.de) , verbinde ich das mit der Bitte, mich im nächsten Jahr  zum Oldiecup nach Friedensdorf zu begleiten. Sicherlich bemerken Sie sofort die aus dem Jahre 1738 stammende Bruchsteinkirche mit schiefergedeckter Haube. Es sind jedoch die alten Häuser und Gehöfte entlang der gepflegten Straßen, der Rosenstrauch an der Mauer, die angelnden Jungs  am Feuerlöschteich, die blumenumsäumte Bank mit Mädchen  und die filigran gestrichene Pumpe, die dieses historisch gewachsene Ambiente so sympathisch erscheinen lassen.


Das Wedell-Denkmal lag noch im Schatten als der Trecker mit der Mannschaft aus Rodden-Pissen im Hänger am Gasthaus vorbeifuhr. Ein auf das Dach montiertes  Blaulicht zeigte worum es hier geht: Feuerwehr und eine Menge Spaß.
Wenn Sie echten Feuerwehrsport sehen wollen, besuchen Sie bitte den Ausscheid in Zöschen. Dort wird der „Löschangriff Nass“ in höchster Präzision und Rekordzeit geübt. Das dürfen wir hier nicht erwarten. Der Oldiecup wurde eigens für die Jahrgänge jenseits des 40. Lebensjahres erdacht. Modernes Wettkampfequipment ist unerwünscht.  Alle halten sich an diese Richtlinien zur Traditionspflege, nur bei den Damen sind Zweifel berechtigt.

Zuerst ging die Mannschaft Rodden an den Start. Eigentlich hätten sie  mit ihrem Einsatzfahrzeug der Marke BELRUS den ersten Platz für die Kür verdient. Die Zugmaschine glänzte stilecht  in rotem Lack und wies heftige Gebrauchsspuren auf. Im letzten Jahr war sie blau und vergleichsweise modern. Solche Fortschritte sollten unbedingt honoriert werden. Auch wurde das linke Strahlrohr diesmal korrekt  gekuppelt. (Bestes Fotomotiv 2013!) Erfolg nach 106,00 Sekunden.

Die Luppenauer, seit 13 Jahren dabei, absolvierten unaufgeregt und komplikationslos ihren Löschangriff. Nach 56,30 Sekunden fiel die letzte Büchse auf den Rasen. Das reichte für den 6. Platz.  Auch wenn einige Mitglieder das Durchschnittsalter auf 53 Jahre senkten, ging man den Wettbewerb ruhig, kraftvoll und ohne vorausgegangene Trainingseinheiten an. Die Erinnerung an den etwa 10 Jahre zurückliegenden Sieg lässt sich ohnehin nicht nehmen.  Damals wurde die Entscheidung durch ein Staffel-Kampf-Biertrinken  gegen Wallendorf herbeigeführt. (Ein Mann, ein  Lauf, ein Bier -  damit der Begriff Kampftrinken nicht zu einschlägigen Fehldeutungen führt.) Zufrieden mit der Wertung, konnten sich die Kameraden dem Wettkampfgeschehen mit seinen sportlichen und künstlerischen Facetten widmen.

Die Friedensdorfer Frauen trugen pastellfarbene Schutzanzüge, adrette rote Plastikhelme und vor allem das zauberhafteste Lächeln des Vormittags. Das wäre ja durchaus in Ordnung, vielleicht könnte man zukünftig die geringe Blickdichtheit zu einem echten Publikumsmagneten ausbauen. Auch ließe uns das definitiv über das Problem der Altersgrenze hinwegsehen. Aber gegen die zauberhaften Engelchen und Teufel des vergangenen Jahres kam diese Verkleidung nicht an. Indirekt leistungssteigernd wirkte  die Teilnahme eines offensichtlich männlichen Kameraden mit markanter Pickelhaube. Dieser Effekt ist aus der individuellen eierproduzierenden Nutztierhaltung bekannt. Er sorgt für Disziplin und verhindert Rivalitäten. Platz drei für die trainierten Frauen: 43,25 Sekunden. (Der gastgebende Wehrleiter hatte die Chance, diesen Absatz zu zensieren.)
An 4. Startposition liefen die Männer aus Friedensdorf. Richtige Männer. Gesichter, im jahrzehntelangen Dienst gestählt. Erst später erkannte ich durch Anfassen, dass die hochglanzpolierten Helme keinen vergleichbaren Prozess durchlaufen hatten, sondern eher einem Filmfundus entliehen schienen. Plastik. (Hier protestierte der Wehrleiter. Die Helme wären echt! Vielleicht war nur der eine aus Kunststoff.) Ich war einer Illusion aufgesessen . So sehr, dass es mir geboten schien, mich, um diese edlen Kerle perspektivisch zu erheben, vor ihnen auf den Bauch zu legen. Dann liefen sie. Der Wille bezwang, was ggf. an einem reifen Körper kein Stahl mehr ist. Keine Kostümchen, alles reglementgerecht, TS8 springt an, Saugrohr in den Wasserbehälter der Verteiler rast nach vorn, die Strahlrohre überhohlen, Blechdosen  fliegen von den Tischen,  Strahl nach oben, 37,50 Sekunden. Kinderaugen leuchten – unsere Großväter! Mit fast 70 Jahren war Georg Brinschwitz der älteste Teilnehmer, Respekt!

Anstelle der erwarteten Schottenröcke (vergl. www.luppenau.de Rückblich 2013) aus Burgliebenau kam der Weihnachtsmann mit seinem Gefolge einschlägiger Rentiere, Harlekine, Wichtelmänner, einem unschmelzbaren Schneemann und einem Engel, der wahlweise mit und ohne Bart und Heiligenschein auftrat. Die Kostümbildnerin selbst gab den Weihnachtsbaum mit Stern und Tannengrün am Hut. Dass der Adventskalender einiges Naschwerk im Kittel bereithielt, habe ich leider erst auf dem Foto erkannt. Der Weihnachtsmann bediente die Kinder mit Süßigkeiten. Und dann geschah das Unfassbare. Im Moment ahnte es noch niemand…

 Die zweite Mannschafft aus Burgliebenau schaffte mit 44,90 Sekunden die fünfbeste Zeit. Aber das ist die Bewertung nach der Stoppuhr. Diese drei Feuerwehrmänner zeigten noch nie Gesehenes! Und mancher hat es vielleicht gar nicht bemerkt. Ich danke meinen Luppenauer Kameraden, dass sie mich aufmerksam gemacht haben. Respekt und Gruß an dieser Stelle! Es grenzt schon an Akrobatik, mit zwei Strahlrohren loszustürmen, die rechte und die linke  Zieleinrichtung gleichzeitig anzupeilen, bis der Mann vom Verteiler vor eilt und eines übernimmt. Vielleicht verzichten sie im nächsten Jahr noch auf den Maschinisten, aber bestimmt nicht auf den geliehenen Engel der achtgibt , dass das Saugrohr nicht auftaucht.  Im anschließend  Folgenden konnten wir repetieren, was der offizielle Personalschlüssel diesbezüglich vorschreibt.

Dazu wurde spontan ein Team aus Mitgliedern aller Mannschaften rekrutiert. Nichts einheitlich, niemals zusammen trainiert. Einer fehlte noch, er musste erst seinen Platz hinter der Theke verlassen und die Schürze ablegen. Kurze Absprache. Alles klappte. 43,80 Sekunden, 4. Platz. Das ist Feuerwehr. Der Engel aus Burgliebenau am Verteiler, an den Strahlrohren Luppenau und Friedensdorf, Schlauchtrupp: Friedensdorf und Kreypau in Person des  Starters, nachdem er seine Klappe beiseite gelegt hatte. Der Saugkorb wurde durch Rodden in das Becken getaucht und an der Pumpe stand der Maschinist der Friedensdorfer Frauenmannschaft. Haben Sie mitgezählt? Sieben.
Bis zur Siegerehrung blieb Zeit für eine gute Suppe aus der Wallendorfer Gulaschkanone. Würstchen obendrauf. Die Suppe war  so gut, dass man gern ein Eimerchen mit nachhause genommen hätte. Gegenüber versorgte der Förderverein der Friedensdorfer Feuerwehr die Gäste mit Getränken und Gegrilltem. Es schmeckte, die Sonne schien, die Stimmung war wunderbar.

 Die Siegerehrung: Platz 1 für die Männermannschaft Friedensdorf! Jubel, Burgliebenau, seit Jahren an der Spitze ist übertroffen. 39,60 Sekunden, Platz 2, aber einmalig im künstlerischen Ausdruck. Jetzt spritzte der Sekt, die gefüllten Pokale wurden herumgereicht, man rückte an den Tischen zusammen…

DER FRIEDENSDORFER OLDIECUP HAT MEHR ÖFFENTLICHE AUFMERKSAMKEIT VERDIENT !

Am Feuerlöschteich angelten wieder die Jungs, posierten mit dem Fang.
Das Denkmal hatte sich aus dem Schatten befreit: Zum Gedenken an die Brüder Albert und Karl Wedell. Erschossen auf Befehl Napoleons im September 1809.

 Am darauffolgenden Sonntag war Europa-Wahl.

Ilja Bakkal